HEILENDE KLÄNGE – GEHEIMNISSE DER MUSIK

von Michael Reimann

Was findet ein Physiker, wenn er die kleinsten Teilchen eines Stoffes untersucht? Energie und Schwingung! Dieser innere Tanz der (offensichtlich) festen Materie zeigt uns, wie feinstofflich durchdrungen unsere mikrokosmische Welt ist, die sich im Außen in vielen Formen musikalischer Phänomene ausdrückt. Die Musik – eine nicht begreifbare Schwingungsebene, die auf materieller wie emotional-geistiger Ebene auf uns wirkt. Erst langsam entdecken wir Zusammenhänge – z.B. die Kommunikation von Herz und Hirn – ohne dabei unser Gehirn als Zentral-Organisation unseres Körpers in den Mittelpunkt zu stellen.

Seit Urzeiten ist die Musik als Unterhaltung, Heilritual, Therapie und gruppendynamische Festivität existent. Ohne sie könnten wir uns das Leben schlecht vorstellen. Mit den Worten Nietzsches: „Ohne die Musik wäre das Leben ein Irrtum“.

Grundsätzlich können wir zwei Formen musikalischer Schwingung unterscheiden: Die konsonante, gleichmäßige Schwingung und die dissonante, d.h. unregelmäßige Schwingung.

HEILUNG DURCH MUSIK

Musik ist die Medizin der Zukunft.
Edgar Cayce

Musizierende Menschen sind friedvolle Menschen.

Bei Günther Haffelder in Stuttgart habe ich mal meine Gehirnströme beim Musizieren aufzeichnen lassen. Ich wusste, dass ich mich tief in diesen Prozess versenken konnte, aber dieses Ergebnis hatte mich doch überrascht: Meine Hirnhälften zeigten vermehrt Theta- und Deltawellen auf, die hauptsächlich nur im Tiefschlaf oder Trance vorkommen. Die Aktivität beider Hirnhälften waren ausgeglichen und fast identisch.

Anna Wise beschreibt in ihrem Buch „Awakened Mind Training“ ausführlich Bewusstseins- Zustände – auch ihre bewusste Herbeiführung – die uns staunend in die Welt unserer Sinne und die Konsequenz unserer Gedanken führt. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite von Dr. Matthias Jacoby: www.hirnwellen-und-bewusstsein.de.

Musik zu realisieren ist auch Liebe und Gemeinschaft; wir üben, miteinander zu wirken und aufeinander zu hören. Deshalb ist es auch so wichtig, sie zu kultivieren. Sie hat große Auswirkungen für unsere Gesellschaft. Musizierende Menschen sind friedvolle Menschen. Das meditative Schwingungserleben in uns ist ein kraftvolles und heilendes Energiepotential. Ein Naturphänomen, in dem die Dimensionen des Klanges als Verbindung von Körper und Geist offenbar werden. Die Vibrationen des Instrumentes oder der eigenen Stimme werden im ganzen Körper der Spielenden reflektiert und haben harmonisierende und somit heilsame Wirkung.

KLANG-MEDITATIONEN

Ich habe einmal versucht zu indischer Musik zu meditieren. Es war eine wichtige Erfahrung; nämlich die, dass ich es nicht konnte. Auch wenn diese Musik keine großen analytischen Gedanken zulässt, so ist sie doch so, dass man seine ganze Aufmerksamkeit braucht, um ihr zu folgen. Dieser freudvolle Musik-Hör-Genuss steht dem meditativen Seins-Erlebnis im Wege. Das Versenken in Atem, Körper und Geist ist bei dieser musikalischen Intensität kaum möglich. Außer Frage steht, dass die „klassische“ indische Musik eine der spirituellsten dieser Welt ist.

Es gibt viele Möglichkeiten, mit Klängen in meditative Zustände zu gelangen. Das archaischste und meist praktizierteste Beispiel wäre das monotone schamanische Ritual mit Trommel, Rassel oder Schellen. Hierbei kommt unser Gedanken-Fluss zur Ruhe, weil es nichts zu beurteilen, bewerten oder einzuordnen gibt. Als Beispiel aus unserer jüngeren meditativen Praxis möchte ich die Klangschale anführen. Als Anfang- und Endsignal bei Meditationen in einer Gruppe sehr hilfreich, kann sie mit ihrem anhaltenden Ton den Sitzenden mit in die Stille nehmen. Das Prinzip des diminuendo – leiser werden -, das bei jedem Auslösen (Anschlagen) eines Klangs wirksam ist, machen wir uns zunutze, indem wir quasi auf dem verklingenden Ton mit unserer Aufmerksamkeit in die Stille gehen.

TRANSFORMATION

Der Mensch strebt zur Harmonie und Ausgeglichenheit, also in den Zustand, in dem sich die Natur, auch wenn es manchmal nicht den Anschein hat, schon immer befunden hat. Wenn eine Gruppe einen chaotischen Klang produziert, also jeder singt einen anderen Ton, dann klingt dieses „Chaos“ ganz erstaunlich, in gewisser Weise einmalig und wunderbar. Er symbolisiert das Individuelle in der Gruppe. Nach einiger Zeit wird man eine Angleichung bemerken, die in einem Ton oder in einer Harmonie, mündet. Warum eigentlich? Weil wir von Natur aus harmoniebedürftig sind – bewusst oder unbewusst streben wir immer danach.

Warum machen wir eigentlich Musik? Welchen Zweck verfolgen wir? Wir tun doch nur immer etwas, wovon wir wissen, das wir einen ganz bestimmten Nutzen aus dieser Tätigkeit ziehen werden. Wie steht es denn dann mit unserer musikalischen Betätigung?

Wir möchten immer alles interpretieren und allem eine Bedeutung beimessen. Was uns sehr schwer fällt, ist das Annehmen des reinen Seins. Ohne etwas in eine Kategorie einzuordnen. Es einfach sein zu lassen.

Immanuel Kant, der Deutsche Philosoph des 18. Jahrhunderts, soll gesagt haben:

Es gibt zwei Dinge, die nichts zu bedeuten brauchen: Die Musik und das Lachen.

Um auf das musikalische Ritual zurückzukommen, möchte ich hier nur die Entwicklung der Techno-Szene erwähnen. „Musik“, das viel zu laute, auf Metrum, Rhythmus und schnelle synthetische Tonfolgen reduzierte Erlebnis. Aber was suchen denn die meist jüngeren Menschen, oder besser gesagt: Was finden sie in dieser meist vielstündigen, lauten, monotonen und extatischen Musik- und Tanzbewegung?

WARUM MACHEN WIR EIGENTLICH MUSIK?

Sie finden das, was ihnen die Eltern, die Gesellschaft oder ihre Religion nicht mehr bieten kann, weil sie es im Laufe der Zeit verlernt und verdrängt hat: Eine Möglichkeit, zu sich selbst zu finden, durch intensivste Gefühle ihres Körpers und anderen Bewusstseinsebenen. Ein Vergessen des Alltags mit seinen Problemen, durch das Eintauchen in tranceartige Zustände. Die Möglichkeit, sie selbst zu sein. Sie finden möglicherweise die in unserer Gesellschaft vergessene Initiation vom Kind zum Erwachsenen.

Die Berührung zu unserer ureigensten Musikalität gibt uns ein Gefühl von Glück, Gelassenheit, innerer Ruhe und Freiheit. Wir fühlen unser eigenes, großes Kraftpotential durch die Musik. Musik, als Verbindung und Brücke zwischen Materie und Geist, macht uns das HOLOGRAMM dieser Welt bewusst.

Das Herz erzeugt das stärkste und umfassendste rhythmische elektromagnetische Feld des Körpers. Verglichen mit dem elektromagnetischen Feld, welches durch das Gehirn erzeugt wird, ist die elektrische Komponente des Herzfeldes in ihrer Amplitude ungefähr 60-mal grösser und durchdringt jede Zelle im Körper (Transformation.net). Trotz dieser Erkenntnis sollten wir auf unsere Gedanken großen Wert legen. Denn unser Körper spiegelt das, was wir denken.

Die Indische Kultur hat es mit den Worten „Nadha Brahma“ ausgedrückt: Die Welt ist Klang. In diesen Schwingungen, vom kleinsten Elementarteilchen bis zu den Planeten, sind wir mit dem Universum und unserer Welt verbunden.

DIE SPIRITUELLE ERKENNTNIS

Ich bin geneigt zu glauben, dass das Universum mehr ist als das, was im menschlichen Bewusstsein existiert.
Michael Harner

Leben bedeutet, einer spirituellen Dynamik unterworfen zu sein. Mit dem chinesischen Ausdruck des „WU WEI“, das empfiehlt, „dem Fluss des Lebens“ zu folgen, und nicht einen Staudamm nach dem anderen zu errichten, können wir versuchen, unseren Kontakt mit dieser undefinierbaren universellen Energie zu stabilisieren. Die Beschäftigung mit den schönen Künsten trägt hierzu bei. Die Klänge, Schwingungen und Töne sind die Vermittler zwischen den geistigen und materiellen Welten, zwischen denen wir so hin- und hergeworfen sind. In der Begegnung mit dem Musikalischen können wir eine Seins- Erfahrung erleben, die den Glauben als eine persönliche Erfahrung fundamentieren kann.

Das Bild eines Sees ist ein schönes Gleichnis für unsere Situation. Wenn der Wind die Seeoberfläche mehr oder weniger bewegt, so spiegelt sich der Himmel und die Wolken in vielen Schattierungen. Glätten sich jedoch die Wellen und es wird still, so wird der Blick in die Tiefe frei: Wir erkennen unter der Oberfläche den Raum, in dem sich das Wasser befindet. Je ruhiger das Wasser ist, desto tiefer können wir schauen und erkennen sogar den Grund.

DIE MUSIK ALS SCHÖPFERICHES TUN

Der Künstler geht im schöpferischen Prozess mit feinstofflichen Energien um, ohne es zu merken. Werden diese Energien bewusst wahrgenommen, richtet der Künstler sie auf ein höheres Ziel, das er in die Worte seiner Kultur kleidet. Je inniger er sich der höchsten Universalkraft weiht, desto weniger betrachtet er seine Kunst als Werk seines Ego. Und dies, vereinfacht ausgedrückt, ist eine spirituelle Ausrichtung. Das Ego tritt in den Hintergrund, der Künstler wird zum Medium, durch das eine höhere Kraft hindurchfließt, und er betrachtet sich als Bote erhabener Energien. Ob er sie nun „Gott“ oder „Wahres Wesen“ oder „Schöpferkraft“ nennt, ist einerlei und, wie gesagt, durch seine Kultursprache bedingt. An der Art und Weise, wie er diese innere Haltung lebt und in seiner Kunst zu verwirklichen trachtet, erkennen wir die Qualität seiner Spiritualität.
(Musik- Kinesiologie,R. Sonnenschmidt/H. Knauss, VAK Freiburg, 1996)

Die Musik galt immer als eine der Künste, die den Menschen aus der reinen Seins-Sphäre emporhob, in die geistige Welt. Aufgrund ihrer Substanz, aus der sie besteht: Nicht greifbar, numinos, unerklärlich faszinierend, beeinflussend im Hören und Fühlen.

Nutzen wir sie also in diesem Sinne nicht nur als Unterhaltung und Vergnügen, sondern seien wir uns auch bewusst, mit dieser Kunst einen Schatz in uns zu tragen, der entwickelt werden kann – für ein sinnvolles und glückliches Leben.

Mit der Kunst der Musikausübung, als schöpferisches Tun, können wir die Schöpfung an uns selbst vollenden.